Akten im Hängeregister

Einsichtnahme durch Eltern oder Schüler in die Schülerakte

Die Einsichtnahme in einer Schülerakte durch Eltern oder Schüler wirft verschiedene datenschutzrechtliche Fragen auf. Der folgende Beitrag soll helfen, die Einsichtnahme rechtsicher zu gestalten.

Nach § 83 Absatz 1 Satz 2 Hessisches Schulgesetz (HSchG) ist über jede Schülerin und jeden Schüler eine Schülerakte zu führen. Die Schülerakte ist vertraulich zu behandeln und vor unbefugter Einsichtnahme zu schützen. Zur Schülerakte gehören alle Unterlagen einschließlich der in Dateien gespeicherten, die die Schülerin oder den Schüler betreffen, soweit sie mit dem Schulverhältnis in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen (Schüleraktendaten).

Nach § 72 Absatz 5 HSchG sowie § 1 Absatz 7 der Verordnung zur Verarbeitung personenbezogener Daten in Schulen haben Jugendliche, die Eltern und volljährige Schülerinnen und Schüler das Recht, Akten der Schule, Schulaufsichtsbehörden und des schulärztlichen Dienstes, in denen Daten über sie gespeichert sind, einzusehen. Diese Regelung umfasst auch die in der Schule befindliche Schülerakte. Die Einsichtnahme ist unzulässig, wenn die Daten der Betroffenen mit Daten Dritter derart verbunden sind, dass die Trennung nicht oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich ist (näheres hierzu ist unter Ziffer 2.erläutert). In diesem Fall ist den Betroffenen über die zu ihrer Person gespeicherten Daten Auskunft zu erteilen.

Auch wenn der Wunsch der Betroffenen, Einsicht in die Schülerakte zu nehmen, im Verhältnis zur Gesamtzahl der Schüler*innen nur selten vorkommt, so sollte Schule im konkreten Fall hierfür gerüstet sein. Das bedeutet nichts anderes, als einen formalen Prozess festzulegen, in welcher Form eine Einsichtnahme erfolgen kann.

1. Antrag auf Einsichtnahme

Zwar ist weder im HSchG noch in der Verordnung zur Verarbeitung personenbezogener Daten in Schulen das Prozedere festgelegt, wie im Einzelnen eine Einsichtnahme erfolgen soll. Dennoch ist es angezeigt, nicht unmittelbar auf den Wunsch auf Einsichtnahme dergestalt zu reagieren, die Akte herauszugeben, sollten Eltern und Schüler*innen im Schulsekretariat vorstellig werden und die Einsichtnahme verlangen. Schließlich verweist § 72 Absatz 5 HSchG darauf, dass eine Einsichtnahme unzulässig ist, wenn Daten Dritter in der Akte enthalten sind und eine Trennung nicht oder nicht ohne weiteres möglich ist. Dazu ist es erforderlich, die Akte vorher zu sichten.

Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, mit den Eltern einen Termin für die Akteneinsicht zu vereinbaren. Dieser sollte zeitlich so gelegt werden, dass für die Schule ausreichend Zeit besteht, eine Prüfung der Schülerakte vor der Einsichtnahme vorzunehmen. Dennoch sollte ein Termin für die Akteneinsicht möglichst zeitnah benannt werden.

2. Prüfung der Schülerakte

2.1 Sichtung der Akte

Um die Vorgabe des § 72 Absatz 5 HSchG zu erfüllen ist es notwendig, dass der Klassenlehrer, der schulische Datenschutzbeauftragte oder die Schulleitung die Akte dahingehend überprüfen, ob darin Daten Dritter enthalten sind, deren Einsicht bzw. Kenntnis gegenüber dem Antragsteller unzulässig ist. Zu Recht stellt sich nun die Frage, was Daten Dritter im Sinne des Gesetzes sind. Nicht gemeint sind damit Daten der Lehrkräfte, die in der Akte ein Ereignis festhalten oder ein Elterngespräch dokumentieren. Ebenfalls fallen hierunter auch nicht ärztliche Berichte, Stellungnahmen und ähnliches. Auch das, was Schulpsychologen in einer Schülerakte verorten, ist darunter nicht zu verstehen. Der angesprochene Personenkreis wird in einem dienstlichen, schülerbezogenen Kontext tätig und unterliegt daher keinen Restriktionen bei der Einsicht. Gemeint sind Unterlagen z.B. von Eltern, die sich über den Schüler*in beschweren. Auch andere, von „Informanten“ als vertrauliche Hinweise bezeichnete Dokumente sind zu schützen und in der Konsequenz die Einsicht nehmenden vorzuenthalten. Eine Entscheidung hierüber sollte im konkreten Einzelfall erfolgen und im Streitfall nachvollziehbar sein. Eine Schwärzung entsprechender Passagen, soweit dies möglich wäre, erscheint dagegen nicht sinnvoll zu sein. Das Original verbietet sich, zu anonymisieren und das Erstellen einer Kopie und deren Schwärzung ist auf die Praktikabilität hin zu prüfen.

2.2 Herausnahme von Dokumenten

Sollten Dokumente, die nicht zur Einsichtnahme bestimmt sind, temporär herausgenommen werden, so ist es sinnvoll, alle Dokumente zu paginieren, also mit Seitenzahlen zu versehen. Die Eltern sollten dann vor der Einsichtnahme darauf hingewiesen werden, dass bestimmte Dokumente nicht zur Einsicht bestimmt sind und deshalb herausgenommen wurden. Transparenz wird dadurch hergestellt, dass die Einsicht nehmenden erkennen können, wie viele Seiten ggfs. fehlen. Es erleichtert im Nachgang auch wieder die richtige Zuordnung der entnommenen Dokumente in die Schülerakte.

3. Akteneinsicht

Erscheinen die Eltern zur Einsichtnahme zum vereinbarten Termin, so händigt die Schule nach der Überprüfung der Identität die Akte zur Einsichtnahme aus. Sinnvoll ist es, hierfür einen separaten Raum zur Verfügung zu stellen. Es obliegt der Organisationsfreiheit der Schule, eine Lehrkraft im Rahmen der Einsicht abzustellen. Notwendig ist es, Regeln für die Einsicht aufzustellen. Dies gilt insbesondere für Bildaufnahmen der Dokumente per Smartphone. Die Schule sollte das von vorneherein untersagen und darauf verweisen, dass, soweit gewünscht, Kopien angefertigt werden. Zwar können Eltern auch ausgehändigte Kopien fotografieren und u.a. in sozialen Netzwerken kommunizieren. In diesem Fall sind die Eltern für ihre Handlungen jedoch alleine verantwortlich. Würde die Schule dagegen in ihrem Umfeld, für das sie unmittelbar Verantwortung trägt, das Fotografieren der Dokumente ermöglichen, wäre im Nachgang Schule möglicherweise mitverantwortlich für Ereignisse, die durch eine Verbreitung im Netz entstehen könnten.

Dagegen haben die Betroffenen einen Anspruch auf die Fertigung von Kopien. Dieser Anspruch kann auch aus der Regelung des Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) abgeleitet werden. Nach Art. 15 Absatz 3 DS-GVO stellt der Verantwortliche (also die Schule) eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, den Betroffenen zur Verfügung.

4. Aushändigung und Dokumentation

Die Aushändigung der Kopien sollte sich die Schule schriftlich bestätigen lassen. Hierfür kann die Schule ein standardisiertes Formular verwenden (in der Anlage). Außerdem sollte der Tag der Einsichtnahme und die Person, die Einsicht genommen hat, in der Schülerakte dokumentiert werden. Das kann ebenfalls auf dem Bestätigungsformular erfolgen.

5. Dokumentation des Prozesses „Akteneinsicht“

Es empfiehlt sich, den Ablauf für eine Akteneinsicht zu verschriftlichen und den in der Schule verantwortlichen Personen in geeigneter Weise bekannt zu machen. Dies kann ein Aktenordner sein, in dem der Prozess schriftlich hinterlegt ist oder aber eine Datei auf einem bestimmten Laufwerk im Schulverwaltungssystem. Wichtig ist der barrierefreie Zugang zu den erforderlichen Informationen, um den Prozess der Akteneinsicht datenschutzkonform zu gestalten.

Zusammenfassung

1. Akteneinsicht sollte im Rahmen eines formalisierten Prozesses stattfinden. Es sollte ein Termin für die Akteneinsicht vereinbart werden.
2. Vor dem Termin muss die Akte auf Daten von Dritten überprüft werden. Soweit erforderlich, sind Dokumente temporär zu entfernen. Die Dokumente in der Schülerakte sollten zuvor mit Seitenzahlen versehen werden.
3. Die Schule stellt Regeln auf. Sie entscheidet beispielsweise in eigener Verantwortung über die Anwesenheit einer „Aufsichtsperson“ und untersagt das Fotografieren von Akteninhalten.
4. Die Eltern haben einen Anspruch auf die Aushändigung von Kopien gewünschter Inhalte der Akte.
5. Die Aushändigung der Kopien und die Einsichtnahme sollte in der Schülerakte festgehalten werden.
6. Der Prozess der Akteneinsicht sollte dokumentiert und allen Lehrkräften bekannt sein.

Stand: 01.12.2021

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